U.v.Beckerath

18.12.1950

 

Lieber Herr Rittershausen.

 

seit langem lagern Ihre Sachen hier und warten darauf, in ein Paeckchen verschnuert und expediert zu werden. Aber Paeckchen schnueren und sie dann zur Post bringen, das ist fuer mich ein Problem, und je schlechter meine Gesundheit wird, desto schwieriger wird es. Ich hoffe es morgen loesen zu koennen.

 

Inzwischen ist mir die Aeusserung Roepke's vorgekommen, der wieder mal ueber "liberale"  Wirtschaftspolitik spricht und nicht bemerkt, dass die Zwangswirtschaft im Geldwesen die Quelle aller andern Arten von Zwangswirtschaft ist; diese Quelle ersaeuft unvermeidlich zuletzt jede Art von Liberalismus und sogar von Freiheit - - keineswegs eine Tautologie, worueber wir ja einig sind.

Sagt da der Roepke u.a.: "...die liberale "Austerity"...die sich in der   Knappheit des Geldes aeussert".

 

Weiss der Mann also nicht:

 

a.) dass bei Inflationen das Geld nicht etwa reichlich ist, sondern knapp. Ein Beispiel unter sehr vielen andern: In den Jahren 1922 und 1923 war es ganz normal, dass die Kassenboten der Firmen von nachts um 12 bis mittags um 12 vor der Reichsbank Schlange standen, und dass sie dann ein Haeufchen Banknoten in die steifgefrorenen Finger gedrueckt kriegten, das zu Hause gerade fuer einen Tag reichte. Dass die Assignatenzeit ganz aehnliche Beispiele aufzuweisen hat, koennte ein Professor zu Genf, wo ein Milhaud gelehrt hat, eigentlich wissen;

 

b. ) dass man nur mit Zwangskursgeld inflationieren kann und ganz ausschliesslich damit, im uebrigen weder mit Kredit noch mit Schecks noch mit Gutscheinen;

 

c. ) dass Teuerung und Inflation ganz verschiedene Dinge sind, und dass meistens die Teuerung die Wirkung der Inflation ist. sehr ausnahmsweise kann auch die Inflation eine gewisse Stabilitaet der Preise bewirken, wenn naemlich einerseits ein scharfer Preissturz begonnen hat und andererseits er durch Inflation (Vermehrung des Zwangskursgeldes ueber den Betrag hinaus, den der Verkehr bei freiem Kurs aufnehmen wuerde) gemildert oder gar abgestoppt wird. (USA 1932)

 

d.) dass Zwangskursgeld immerhin knapp sein mag, dass aber die Menge der typisierten Zahlungsmittel immer ausreichend sein muss, um keinen erwuenschten Umsatz zu verhindern, und dass das nur durch Scheckbanken; wie wir sie in den Vier Gesetzentwuerfen skizziert haben, moeglich ist.

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Allerdings, Wenn der Roepke sich zu diesen Wahrheiten bekennen wuerde, dann waere er in wenigen Wochen seinen Posten los. Insofern ist er entschuldigt. Aber, ich habe ihn im Verdacht, dass er es wirklich nicht besser weiss und ehrlich meint, was er sagt.

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Liberalismus, der fuer Zwangswirtschaft des Geldes eintritt, ist ein Pseudo-Liberalismus, nichts Halbes, nichts Ganzes und unfruchtbar, sie so 'ne Bastarde ja meistens sind. Die Aufhebung der Zwangswirtschaft im Westen verdanken wir dem "Schwarzhandel", nicht etwa der ueberlegenen Einsicht der Regierung und ihrer Berater. Das muss doch auch mal festgestellt werden.

Wann kommt die Amnestie fuer alle "Schwarzhandels-Verbrechen", alle  "Devisen-Verbrechen"????? Wer hat den Mut, sie zu fordern?

 

Mit bestem Gruss Ihr

 

gez. U.v. Beckerath.

 

(Anstreichung und Ankreuzung von Prof. Rittershausen, der auf diesem Brief auch vermerkte: "nochmals lesen!"   J.Z. 24.7.83.)

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 442 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 1648.